top of page

Kündigen ohne neuen Job: Risiko oder Notwendigkeit?

  • carinahartig
  • 8. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Apr.

„Kündigen ohne etwas Neues? Das ist so leichtsinnig, das macht man nicht.“


Ein Satz, den viele kennen. Vielleicht hast du ihn selbst schon gedacht oder regelmäßig von deinem Umfeld gehört. Vielleicht stimmt er auch – für manche (Situationen). Aber eben nicht immer und für alle.

Manchmal ist man so unglücklich im Job, dass es sich wie der einzige Notausgang anfühlt, alles hinzuwerfen und zu kündigen.


Kann – und darf – ich einfach gehen, ohne zu wissen, was danach kommt?


Wie beantwortet man nun diese Frage für sich? Es ist eigentlich weniger wichtig, diese Frage mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten, sondern vielmehr seine innere Haltung, die Vorbereitung und die Passung zum eigenen Charakter zu berücksichtigen.


Frau rennt weg am Strand, man sieht noch ihren Fuß
Bild: Mitchell Orr

Nur wer den Pfad verlässt, kann neue Wege entdecken


In unserer Gesellschaft ist die Erwartung relativ klar: Man kündigt erst, wenn man etwas Neues hat. Alles andere gilt als unvernünftig. Schließlich trägt man Verantwortung, muss sein Leben finanzieren und stürzt sich mit einer Kündigung in eine unendliche Unsicherheit.


Doch dieser Blick lässt essentielle Elemente außen vor. Zum einen blendet er eine wichtige Realität aus: Manche Menschen brauchen zuerst Raum – bevor sie überhaupt wieder klar denken, fühlen und handeln können.

In der täglichen Arbeit mit Klient:innen begegnet mir das häufig. Menschen, die äußerlich „funktionieren“, aber innerlich längst gekündigt haben, weil sie ihr beruflicher Alltag unglücklich macht. Die morgens mit Druck aufstehen und abends erschöpft ins Bett fallen. Die wissen, dass es so nicht weitergeht – aber keine Luft haben, um etwas zu ändern. Für sie kann der Schritt aus dem Job ein Akt der Selbstachtung sein. Kein Drama, kein Ego-Trip – sondern ein Versuch, sich selbst wieder ernst zu nehmen.


Zum anderen hat jeder Mensch ein anderes Bedürfnis nach Risiko und/oder Sicherheit. Viel hängt von der persönlichen Situation ab: Wer beispielsweise über ausreichend Rücklagen verfügt, keine Mietzahlungen leisten muss oder in einer Branche arbeitet, in der er im Zweifelsfall leicht wieder einen Job findet, kann sich eher eine direkte Kündigung leisten. Für andere, die mehr Verantwortung tragen oder deren finanzielle Absicherung unsicherer ist, kann es sinnvoller sein, vorsichtiger zu planen und vielleicht zunächst einen Übergang zu suchen. Es kommt also darauf an, wie gut man seine eigene Situation einschätzt und wie viel Spielraum man benötigt, um die Veränderung im passenden Tempo zu gestalten.



Realistisch bleiben: Wie tragfähig ist die Entscheidung zu kündigen ohne neuen Job?


Bevor man kündigt, ist es sinnvoll, innezuhalten und realistisch zu prüfen, was möglich ist – emotional ebenso wie finanziell. Jeder Mensch ist anders und Dinge, die der eine gut ertragen kann, sind für jemand anders vielleicht ein absolutes No-Go.


Hier ein paar wichtige Fragen, die du dir stellen kannst, bevor du kündigst:


  • Wie lange reichen deine Rücklagen, ohne dass du in Stress gerätst?

  • Welche Ausgaben kannst du in dieser Zeit senken – ohne auf Dinge zu verzichten, die dir gut tun?

  • Könntest du einen Nebenjob annehmen, der dich über Wasser hält, aber nicht ausbrennt?

  • Wie einfach wäre es, wieder zurück zu gehen und einen passenden Job zu finden, falls die Veränderung nicht klappt?

  • Gibt es im jetzigen Job Alternativen zur Kündigung – etwa Teilzeit, eine Versetzung, Aufgabenreduktion oder ein Sabbatical?

  • Hast du Anspruch auf Arbeitslosengeld – und was passiert bei einer Eigenkündigung?


Letzter Punkt ist besonders wichtig: Wenn du selbst kündigst, bekommst du in der Regel eine Sperrzeit von 12 Wochen beim Arbeitslosengeld I. Diese Zeit wird dir nicht nachträglich ausgezahlt. Du musst sie also in deine Planung einkalkulieren.

Gibt es jedoch einen „wichtigen Grund“ für deine Kündigung – z. B. gesundheitliche Belastung, Mobbing, familiäre Notlagen – kann die Sperrzeit entfallen. Dafür braucht es in der Regel eine gute Begründung und entsprechende Nachweise (z. B. ärztliches Attest). Kläre das unbedingt vor deiner Kündigung direkt mit der Agentur für Arbeit oder einer unabhängigen Beratungsstelle.


Mann notiert etwas auf ein Flipchart, auf dem schon viele Post-its hängen
Bild: Jo Szczepanska

Nicht alles auf eine Karte setzen – aber auch nicht ewig warten


Klar ist: Es geht nicht darum, alles hinzuwerfen, ohne Plan. Aber auch nicht darum, aus Angst auf der Stelle zu treten.

Zwischen Sicherheit und Sehnsucht liegt ein Raum. Und in diesem Raum darfst du dir erlauben, klug zu prüfen – aber auch ehrlich zu fühlen.

Denn manchmal ist nicht die Kündigung das Problem, sondern das Bild, das wir davon im Kopf haben: Kündigen = Scheitern. Kündigen = Risiko. Kündigen = unvernünftig.

Aber: Kündigen kann auch heißen, sich selbst wieder ernst zu nehmen. Sich die Luft zu schaffen, um neue Wege zu sehen. Und manchmal ist der radikalste Schritt der erste echte Moment von Selbstwirksamkeit.


Alternativen zur Kündigung – wenn der Schritt (noch) zu groß ist


Nicht jede Veränderung muss mit einem klaren Bruch beginnen. Oft ist es sinnvoll, erst alles gut vorzubereiten, bevor man den finalen Schritt geht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die dabei helfen können:


  • Teilzeit beantragen, um Raum und Energie für die Neuausrichtung zu gewinnen

  • Aufgaben abgeben oder anpassen, um Überforderung zu reduzieren

  • Unbezahlten Urlaub oder ein Sabbatical anfragen, um Abstand zu bekommen

  • Nebenberuflich eine Weiterbildung machen, um das alternative Leben schon zu erschaffen

  • Coaching oder Beratung in Anspruch nehmen, um Klarheit und Struktur in den Veränderungsprozess zu bringen


Vielleicht ist dein erster Schritt nicht die Kündigung – sondern ein mutiges, bewusstes Innehalten, um dich selbst besser zu verstehen.





Es gibt kein „Richtig“ oder „Falsch“ – nur deinen Weg


Kündigen ohne neuen Job ist weder heldenhaft noch leichtsinnig. Es ist ein möglicher Schritt – einer von vielen. Und ob er zu dir passt, hängt nicht von gesellschaftlichen Normen ab, sondern von deiner Lage, deinen Ressourcen und deiner inneren Stimme.

Was du brauchst, ist kein perfekter Plan, sondern ein stimmiger nächster Schritt. Einer, den du innerlich mitgehen kannst. Einer, der dich nicht überfordert, aber in Bewegung bringt.



Carina Hartig

Lust auf mehr Klarheit?

Wenn du dir dabei Unterstützung wünschst – jemanden, der mit dir die Möglichkeiten sortiert, die Realität prüft und den Weg mit dir geht – dann melde dich gern.

Ich begleite dich, bis deine Veränderung greifbar und machbar wird. Schritt für Schritt und in dem Tempo, das zu dir passt.





 
 
bottom of page